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Wegzugsbesteuerung - Wegzug ins Ausland und Steuerfragen?

Worum geht es bei der Wegzugsbesteuerung und wer ist betroffen?

Wenn ein in Deutschland ansässiger Steuerpflichtiger - der Anteile an einer Kapitalgesellschaft hält – dauerhaft in das Ausland zieht, verliert der deutsche Staat grundsätzlich das Besteuerungsrecht auf die Veräußerungsgewinne von den Anteilen dieser Kapitalgesellschaft. Dies ist so meist in den Doppelbesteuerungsankommen zwischen Deutschland und dem Zuzugsstaat geregelt. Ziel der Wegzugsbesteuerung ist es daher die bis zum Wegzug erwirtschaften stillen Reserven zu besteuern. 

 

Interesting Fact: Ausgangspunkt für die Entstehung der Wegzugsbesteuerung war die Auswanderung von Helmut Horten, des Kaufhausmagnaten der gleichnamigen Kaufhauskette, im Jahr 1970. Er wanderte von Deutschland in die Schweiz aus, ohne dass sein Vermögen in Höhe von einer Milliarde Mark in Deutschland besteuert wurde. Da dem deutschen Fiskus schon in ähnlichen Fällen Steuereinnahmen entgangen waren, schuf der deutsche Gesetzgeber im Jahr 1972 die Grundlage der deutschen Wegzugsbesteuerung. 

 

Die Wegzugsbesteuerung trifft mit ihren Regelungen insbesondere  mittelständische Unternehmerfamilien mit vielen Familienangehörigen. Wenn ein Familienmitglied Deutschland dauerhaft verlässt, um z. B in Wien zu leben und zu arbeiten, muss es die stillen Reserven - also die nicht realisierten Gewinne - ihrer Firmenanteile versteuern. Diese Regelung macht auch z.B. vor Gründern von Start-ups nicht halt, die nach erfolgreicher Investorenrunden beschließen, ihren Wohnsitz in das Ausland zu verlagern. Konnte bisher diese Steuerforderung beim Wegzug in andere EU-Staaten oder EWR-Länder dauerhaft gestundet werden,  fiel diese Erleichterung am 1. Januar 2022 weg. 

 

Das Besondere an der Wegzugsbesteuerung ist, dass hier nicht realisierte Gewinne, besteuert werden. Das Finanzamt setzt dies in Form eines fiktiven Verkaufs der Anteile am Unternehmen zum normalen Verkehrswert um und unterwirft diesen fiktiven Gewinn der Einkommensteuer. Der Streit mit dem Finanzamt über die Höhe der stillen Reserven (Bewertung) ist folglich vorprogrammiert. Die Wegzugsbesteuerung greift bei Privatpersonen unabhängig davon, ob die Anteile im Betriebsvermögen oder Privatvermögen gehalten werden.

 

Wann greift die Wegzugsbesteuerung?

  • wenn der Steuerpflichtige in den letzten 12 Jahren zuvor mindestens 7 Jahre lang in Deutschland steuerlich ansässig war (unbeschränkte Steuerpflicht) (ausreichend ist auch eine Zweit- oder Ferienwohnung, die regelmäßig aufgesucht wird)
  • wenn er mit mindestens 1% an einer Kapitalgesellschaft beteiligt war (In- oder Ausland)
  • wenn er seinen deutschen Wohnsitz endgültig aufgibt

 

Reform der Wegzugsbesteuerung

Zum 1. Januar 2022 wurde die Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) reformiert. Recht auf Besteuerung im Fall eines Wegzuges des Steuerpflichtigen verlieren. Bis zum 31. Dezember 2021 unterlag jeder Steuerpflichtige, der mindestens 10 Jahre unbeschränkt in Deutschland steuerpflichtig gewesen ist, der Wegzugsbesteuerung. Vom Gesellschafter im Familienbetrieb bis zum Start-up-Unternehmer ist potenziell jeder Unternehmer mit einer Beteiligung von mindestens einem Prozent an einer Kapitalgesellschaft (GmbH, AG), der seinen Wohnsitz ins Ausland verlagern will, betroffen.

 

NEUist, dass der Zeitraum hinsichtlich der unbeschränkten Steuerpflicht von 10 Jahren auf 7 Jahre verkürzt wurde. Nach Deutschland zugezogene Steuerpflichtige fallen 3 Jahre früher - also nach Ablauf von 7 Jahren - unter die Wegzugsbesteuerung. Zudem fällt die Stundung im Fall des Wegzugs in eine EU/EWR-Staat weg. Nunmehr muss die Steuer in 7 Jahresraten gezahlt werden. Durch diese Verschärfungen nimmt der Druck zu, vor dem Wegzug ins Ausland die Steuerkonsequenzen unbedingt sorgfältig zu durchdenken und durch optimale Steuergestaltung das Besteuerungsrecht von Deutschland - trotz Wegzug - abzusichern, um erhebliche Steuerzahlungen zu vermeiden.

 

Sollte die Besteuerung beim Wegzug reduziert oder tatsächlich vermieden worden sein, müssen auch spätere erbschaftsteuerlichen Konsequenzen betrachtet werden. War der Erblasser im Ausland wohnhaft, sind die Erben aber in Deutschland ansässig, so greift hier wieder die deutsche Erbschaftsteuer. Auch hier gilt es im Vorfeld alle in Betracht kommenden Alternativen steuerlich zu prüfen.

 

Sind Sie Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft? Lassen Sie sich vor dem Wegzug ins Ausland steuerrechtlich beraten! Damit vermeiden Sie unnötige und ungewisse finanzielle Belastungen.

 

Wir erklären Ihnen die mit einer Wohnsitzverlegung aus Deutschland verbundenen steuerlichen Aspekte. Dabei fokussieren wir besonders Ihre individuellen Problembereiche und Ihre persönliche Steuersituation, um die bestmöglichen Steuer-Gestaltungsmöglichkeiten für Sie zu erreichen. Schwerpunkte unserer Arbeit sind die Verknüpfungen zwischen dem deutschen und dem jeweiligen ausländischen Steuerrecht (Auswanderungsland EU oder Drittstaat) - unter Berücksichtigung aller Kriterien aus den einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen. Zudem klären wir kritische Fragen Ihrer Unternehmensbewertung durch den Fiskus.

 

Festsetzung der Wegzugssteuer durch die Unternehmensbewertung: Die Wegzugssteuer wird auf der Grundlage einer fiktiven Wertsteigerung berechnet. 

 

Damit sichert der deutsche Gesetzgeber ab, dass der Staat beim Wegzug ins Ausland seinen Zugriff auf den gesamten Pool an Ressourcen (Vermögen, Einkommen etc.) - der vom Staat grundsätzlich besteuert werden kann - geltend machen kann. Bei einem "nur angenommenen" Verkauf von beispielsweise 2.000.000 Euro von den Anteilen der Kapitalgesellschaft können das mehr als 500.000 Euro Steuer sein! Obwohl es keinen realen Verkaufserlös gib, werden die stillen Reserven an den Gesellschaftsanteilen besteuert - ein äußerst kritischer Aspekt der Wegzugsbesteuerung. Wer aus dem EU-Gebiet als Steuerpflichtiger wegzieht, kann eine Stundung der Steuerzahlung über 5 Jahre nur erreichen, wenn er dem Finanzamt unzumutbare Härten nachweist und darüber hinaus grundsätzlich Sicherheiten leistet, 

 

Ausgangspunkt für die Besteuerung der fiktiven Anteilsgewinne ist

 

Wie hoch die Wegzugsteuer ausfällt, richtet sich nach dem jeweiligen Wert der Unternehmensanteile sowie dem Einkommenssteuersatz. Das Finanzamt ermittelt den Wert des Unternehmens durch ein vereinfachtes Ertragswertverfahren, um den Verkehrswert des Unternehmens zu ermitteln. Das ist die Grundlage zur Berechnung des fiktiven Veräußerungsgewinns. Das Ergebnis legt das Finanzamt als Wert des Unternehmens zum Zeitpunkt des Wegzugs des Anteilseigners fest.

 

Wenn Sie wegziehen wollen, empfehlen wir Ihnen eine  individuelle Beratung! Unsere Steuerberater prüfen Ihre Unternehmensbewertung mit allen Daten zur Berechnung der Wegzugsbesteuerung gewissenhaft und kritisch. 

 

 

  1. Der Verkauf der Anteile vor dem Wegzug
    Was ist vorteilhafter? Die Wegzugsbesteuerung oder der sofortige Verkauf? Der Ertrag aus dem Verkauf der Anteile - vor dem Umzug - wird auch besteuert.
  2. Den steuerlichen Wohnsitz in Deutschland beibehalten
    Eine andere Option ist, den steuerlichen Wohnsitz nicht zu verlegen - der Hauptwohnsitz bleibt in Deutschland. Besonders wenn der Wegzug auf maximal 5 Jahre begrenzt ist. Allerdings gibt es spezielle Fälle, wenn zwischen Deutschland und dem Wegzugsland des nur zeitweiligen Wegzugs ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. 
  3. Ein Familienmitglied übernimmt die Anteile
    Das Familienmitglied darf nicht auswandern und muss in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sein. Auch Schenkungen sind steuerpflichtig, aber es gibt  Ausnahmen im Zusammenhang mit dem Erbschaftssteuerrecht. 
  4. Die Kapitalgesellschaft wird aufgelöst
    Die Kapitalgesellschaft wird liquidiert. Alle Vermögensgegenstände des Unternehmens werden verkauft.
  5. Das Unternehmen wird in eine Personengesellschaft umgewandelt
    Eine andere Möglichkeit ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Personengesellschaft umzuwandeln. Die Wegzugssteuer basiert auf den Besitz von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Somit gibt es keine Kapitalgesellschaft mehr und die Grundlage für die Wegzugsbesteuierung entfällt.  
  6. Die Kapitalgesellschaft wird in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt
    Der Wegziehende gründet eine Personengesellschaft und bringt seine Anteile in diese Gesellschaft ein. Dadurch ist die Personengesellschaft Anteilseigner der Kapitalgesellschaft. Mit der Beteiligung der neuen Gesellschaft an der Kapitalgesellschaft entsteht eine Kommanditgesellschaft: Eine GmbH & Co. KG. ABER, die neu gegründete Personengesellschaft muss aktiv in Deutschland tätig sein.

 

Hinweis
Es kommt immer auf den individuellen Einzelfall an, ob und wie das Greifen der Wegzugbesteuerung vermieden werden kann! 

 

 

Die Wegzugsbesteuerung entfällt nur bei klarer Rückkehrabsicht

Wer aus Deutschland wegzuziehen will, sollte sich auch über eine denkbare Rückkehr Gedanken machen. Bei einer nur vorübergehenden Abwesenheit entfällt die Wegzugsteuer rückwirkend, wenn die Rückkehr innerhalb von 5 Jahren erfolgt sowie die Absicht der Rückkehr bestenfalls zum Zeitpunkt des Wegzugs deutlich gemacht wird. Eine Verlängerung der 5-Jahresfrist auf insgesamt 10 Jahre ist möglich, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft belegt, dass seine Abwesenheit berufliche Gründe hat und seine Rückkehrabsicht unverändert fortbesteht. Beim Wegzug in EU-Staaten kann die Wegzugsteuer unabhängig von der Rückkehrabsicht bis zur tatsächlichen Veräußerung zinslos gestundet werden. § 6 Abs. 3 AStG gilt nicht für „abgebrochene“ oder gescheiterte  Auswanderungen.

 

Der Wille zur Rückkehr muss nicht bereits bei Wegzug vorliegen 

Beruht der Wegzug auf einer nur vorübergehenden Abwesenheit und wird der Steuerpflichtige innerhalb von 5 Jahren wieder in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, entfällt die Wegzugsbesteuerung - ABER die Rückkehrabsicht muss glaubhaft gemacht werden! Der Rückkehrabsichtswille muss nicht bereits bei Wegzug gegenüber dem Finanzamt dargelegt und glaubhaft gemacht werden, sondern kann auch erst bei Rückkehr angezeigt werden - ABER es muss glaubhaft sein!

Das Finanzgericht Münster beschäftigte sich in seinem Urteil vom 31.10.2019 (Az. 1 K 3448/17 E) eingehend mit den Voraussetzungen des Entfallens der Wegzugsbesteuerung bei Rückkehrabsicht. Ein deutscher Steuerpflichtiger zog nach Dubai und gab seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland auf. Zu diesem Zeitpunkt hielt er mehrere inländische Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Nach zwei Jahren begründete der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz erneut in Deutschland.

 

 

 

Wer Personen im Ausland durch Schenkungen oder durch ein Testament bedenken möchte, sollte vorher genau prüfen, ob neben der Erbschaft- und Schenkungsteuer auch die Wegzugsbesteuerung anfallen kann.

 

Besondere Vorsicht ist angebracht, wenn der Nachlass auch Anteile an einer Kapitalgesellschaften umfasst. Wenn es bei der Testamentsgestaltung bereits fest steht, dass der zukünftige Erbe nicht in Deutschland lebt oder einen längeren Auslandsaufenthalt beabsichtigt, sollten zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung gewissenhafte Vorkehrungen noch zu Lebzeiten getroffen werden! Die Schenkung von Anteilen einer Kapitalgesellschaft unterliegt der deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuer, wenn der Schenker oder der Beschenkte deutscher Staatsangehöriger (§ 2 Abs. 1 ErbStG) ist oder Inlandsvermögen im Sinne des § 121 BewG existiert.

 

Ihre individuellen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten prüfen wir sorgfältig im Rahmen Ihrer Einzelfallbetrachtung.

 

Es gibt viele Gründe das GmbHs, ihren Sitz, ihre Tätigkeit oder ihre Betriebsstätte ins Ausland verlegen. Beispielsweise niedrige Produktionskosten, geringere Steuern oder ein besserer Marktzugang sind dabei entscheidend. 

 

Der Wegzug einer GmbH in ein EU-Land oder ein Land des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) in Form einer Verlegung des Verwaltungssitzes ist gesellschaftsrechtlich möglich und wird auch nicht zwingend einer abschließenden Besteuerung unterworfen. Ein Wegzug in Nicht-EU/EWR Länder ist zwar ebenfalls gesellschaftsrechtlich in einigen Fällen möglich, führt aber oft zu einer vollständigen und abschließenden Besteuerung. Steuerliche Folgen sind genauso bei der Verlegung von Betriebsstätten oder der Verlagerung von Wirtschaftsgütern ins Ausland von Bedeutung. 

 

WISSEN - BEITRÄGE

Die Rechtsfrage, ob die Vereinbarung einer sog. Wertpapierleihe über den Wertpapierbesitz die sog. Wegzugsbesteuerung im Augenblick der Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht des Verleihers hindert, bleibt unbeantwortet, wenn sich aus den vertraglichen Regelungen ergibt, dass der Übertragungszeitpunkt dem Umzugszeitpunkt nachfolgt.

 

Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens einem Prozent beteiligt war. Dabei sind „Anteile an einer Kapitalgesellschaft“ Aktien, Anteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Genussscheine oder ähnliche Beteiligungen und Anwartschaften auf solche Beteiligungen (§ 17 Abs. 1 Satz 3 EStG). Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG ist bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes endet, auf Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft § 17 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.

 

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Quelle/Fremdlink rechtslupe.de

 

Das Erbschaftsteuer-Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland1  (E-DBA) hat einige interessante positive wie negative Überraschungen parat, die zu kennen und zu nutzen durchaus bei der Vermögensnachfolge- und Wegzugsplanung hilfreich sind. Dazu gehört vor allem die Tatsache, dass «Schweizer Heimatvermögen» im Todesfall von Schweizer Staatsbürgern von einer Besteuerung in Deutschland freigestellt wird.

 

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Verfasser

Dr. Peter Happe
Steuerberater / FB Internationales Steuerrecht / C.P.A.
GHM GmbH Steuerberatungsgesellschaft D – 50996 Köln
www.ghm-partners.de


Lothar Boelsen
Wirtschaftsprüfer / Rechtsanwalt / Steuerberater
Prof. Dr. K. Schwantag ∙ Dr. P. Kraushaar GmbH
D – 60439 Frankfurt am Main 
www.sk-berater.com

 

Veröffentlicht in CH-D Wirtschaft 1/2021