Zurück nach oben
Zurück zur Übersicht

Pflichtteilsstrafklausel setzt Mittelabfluss voraus

Pflichtteilsstrafklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten sollen den Nachlass für den überlebenden Ehegatten möglichst ungeschmälert erhalten. Zu dieser Thematik hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) entschieden.

Wird die Verwirkung der Pflichtteilsklausel von den Testierenden nicht nur an das Verlangen des Pflichtteils, sondern auch an den Erhalt des Pflichtteils geknüpft, setzt die Verwirkung der Klausel einen tatsächlichen Mittelabfluss voraus. Ohne Mittelabfluss besteht kein Sanktionierungsgrund, betonte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) in seiner am 6. März 2023 veröffentlichten Entscheidung.

Gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsklausel

Die Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Die Erblasserin hatte aus einer früheren Ehe eine Tochter, ihr Ehemann hatte zwei weitere Töchter. Die Eheleute hatten festgehalten, dass sie davon ausgehen, dass ihre Kinder keinen Anspruch auf einen Pflichtteil nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils erheben. Nach dem Tod des überlebenden Partners werde das Vermögen dann zu gleichen Teilen aufgeteilt. Ausgenommen sei dabei das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat.

Die Tochter der Erblasserin beantragte einen Erbschein, der sie und eine der zwei Töchter des vorverstorbenen Ehemannes zu je 1/2 als Erbinnen ausweisen soll. Sie war der Meinung, dass die weitere Tochter nicht Erbin der Erblasserin geworden sei, da sie nach dem Tod ihres Vaters ihren Pflichtteil geltend gemacht habe.

Mittelabfluss vom Nachlassvermögen entscheidend

Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Tochter der Erblasserin zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Gemäß der testamentarischen Schlusserbenbestimmung seien alle drei Töchter Erbinnen zu jeweils ein Drittel geworden, bestätigte das OLG per Beschluss vom 21.2.2023 (Az. 21 W 104/22). Die dritte Tochter habe ihren Erbanspruch nicht verwirkt. Nach dem Testament sollte dasjenige Kind von der Schlusserbschaft ausgenommen werden, das nach dem Tod des Erstversterbenden seien Pflichtteil beansprucht und erhalten hat. Voraussetzung für das Auslösen der Sanktionswirkung sei damit - abweichend von den üblichen Klauseln - nicht nur die Geltendmachung des Pflichtteils, sondern zusätzlich ein Mittelabfluss vom Nachlassvermögen. Ob die Tochter hier überhaupt ihren Pflichtteil geltend gemacht habe, könne offenbleiben. Jedenfalls habe sie nicht ihren Pflichtteil und auch sonst nichts aus dem Nachlassvermögen erhalten.

Keine Schmälerung des Nachlasses

Der Hinweis der anderen Töchter, sie habe ihren Pflichtteil erhalten, dieser sei aber "gleich null" gewesen, überzeugte das Gericht nicht. Ein ins Leere gehender beziehungsweise wertloser Pflichtteil löse nicht die Sanktionswirkung der testamentarischen Pflichtteilsklausel aus. Durch das zusätzliche Erfordernis des „Erhaltens“ hätten die Eheleute deutlich gemacht, dass es ihnen um das Zusammenhalten des Nachlassvermögens, dessen Werthaltigkeit und den Schutz des überlebenden Ehegatten gegangen sei. Wenn die Tochter nichts aus dem Nachlass erhalten habe, sei der Nachlass nicht geschmälert und es bestehe nach dem Willen der Ehegatten kein Grund für eine Sanktionierung.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

(OLG Frankfurt a. M. / STB Web)

Artikel vom 13.03.2023

Archiv durchsuchen

Nutzen Sie unser umfangreiches Archiv und finden Sie passende Artikel zu Ihrem Suchbegriff.